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Smart City statt Stau: Wie Taipeh seine Verkehrsprobleme in den Griff bekommt
Datum 2019-10-31

Weniger Stau, bessere Luft und mehr Platz für Alle – das sind die Ziele moderner Verkehrspolitik, wie Großstädte sie weltweit verfolgen. In Asiens rasant wachsenden Metropolen wird sich entscheiden, ob innovative Technologie und neue Mobilitätsangebote rechtzeitig dazu beitragen können, Verkehrsinfarkte zu verhindern, oder ob Fehler der Vergangenheit hier wiederholt werden.

Taiwans Hauptstadt Taipeh ist ein interessantes Beispiel. Der Ballungsraum mit etwa sechs Millionen Einwohnern ist verglichen mit Megacities wie Shanghai, Manila oder Jakarta eher mittelgroß. Doch auf dem Weg zur Smart City ist Taipeh vielen anderen Metropolen schon ein gutes Stück voraus. Gerade im Verkehrsbereich ist hier in den letzten Jahren einiges in Bewegung geraten. Konzepte wie Vernetzung, Big Data und Cloud Computing finden im Alltag Anwendung und sorgen für mehr Lebensqualität.

Diesen Begriff hatte noch vor 30 Jahren wohl niemand mit Taipeh verbunden. Damals hatte Taiwans Wirtschaftsboom seinen Höhepunkt erreicht, überall wurde gebaut und investiert – allerdings auf Kosten von Mensch und Natur. Die Luft war schneidend schlecht, berichten Zeitzeugen, und eine Fahrt von einem Ende der Stadt zum anderen dauerte schon mal einen halben Tag.

U-Bahn

Heute bietet Taipeh ein komplett anderes Bild. Der erste große Schritt auf diesem Weg war der Bau eines U-Bahn-Systems. Was 1996 mit nur einer überirdischen Linie und diversen Startschwierigkeiten begann, ist heute nicht mehr wegzudenken und hat viel Verkehr von den Straßen genommen. Aktuell gibt es fünf Linien, auf denen die Züge teilweise im Minutentakt fahren und so clever miteinander verbunden sind, dass Fahrgäste fast nie öfter als einmal umsteigen müssen. In weniger als einer Stunde können sie fast jede Ecke der Stadt erreichen. Und das Netz wächst noch immer: Als nächstes wird eine neue Ringlinie mehrere Bezirke von New Taipei City, das den Stadtkern, umgibt, direkt miteinander verbinden.

Die U-Bahn führte 2002 auch zur Einführung des bargeldlosen EasyCard-Bezahlsystems, das heute die Grundlage für viele vernetzte Dienste bietet. Die aufladbare Karte mit kontaktloser RFID-Technologie sollte zunächst vor allem dafür sorgen, dass die U-Bahn-Nutzer keine Zeit mit Kartenkauf und -kontrolle verlieren. Das von Stadtregierung, U-Bahn, Busanbietern und Banken ins Leben gerufene System wurde so erfolgreich, dass die 23 Millionen Taiwaner heute etwa 15 Millionen Karten von EasyCard und einigen Mitbewerbern in Einsatz haben – und damit längst nicht mehr nur im Nahverkehr bezahlen. 97 Prozent der Zahlungen in Taipehs U-Bahn passieren per Karte – so viel, dass der Kartenrabatt von 20 Prozent auf den Ticketpreis wohl bald wegfällt. Ursprünglich eine Ermutigung zum Umstieg, wurde dieses Ziel schließlich längst erreicht. Die neue Idee ist, Pendler und andere Vielfahrer gezielt zu entlasten – was auch ohne namentliche Registrierung möglich sein wird, weil die Nutzungsdaten aller Karten in einer großen Datenbank zusammenlaufen. So ist sofort klar, ob ein Nutzer seine Karte diesen Monat zum dritten oder zum 30. Mal an ein Lesegerät hält.

Busse

Vor dem Bau der U-Bahn quälten sich alte Dieselbusse qualmend durch den Stadtverkehr. Noch immer sind Busse in Taipeh ein wichtiges Verkehrsmittel, doch auch hier hat sich einiges geändert. Auf den großen Verkehrsachsen fahren sie ungehindert auf eigenen Busspuren in der Mitte der Straße. In weniger als zehn Jahren solle alle Dieselbusse durch elektrische oder zumindest Hybridmodelle ersetzt sein. Die modernen Busse bieten auch einen W-LAN-Hotspot. Vernetzt sind sie ohnehin bereits alle: Dank der Echtzeit-Positionen jedes Fahrzeugs erfahren Fahrgäste nicht nur an den Haltestellen, wie lange es noch dauert, bis welcher Bus kommt. Dank Open Data können sie auch mit Apps von Drittanbietern Routen planen oder sich rechtzeitig vor Abfahrt eine Benachrichtigung ans Smartphone senden lassen.

In jedem Bus in Taipei sind vernetzte Kartenleser von Acer ITS installiert

Wie in der U-Bahn bringen EasyCard und Co. Ersparnis und Zeitgewinn. In jedem Bus sind seit einigen Jahren vernetzte Kartenleser installiert, die Acer ITS entwickelt hat. Sie buchen nicht nur blitzschnell ab und verrechnen Umsteigerabatte, sondern generieren auch viele wertvolle Daten – vor allem, weil Fahrgäste seit einigen Monaten ihre Karten sowohl bei jedem Ein- als auch beim Aussteigen ans Gerät halten. Die Auswertung der so anfallenden Big-Data-Informationen mit Methoden der künstlichen Intelligenz (AI) bringt wichtige Erkenntnisse: Was sind die Stoßzeiten, an welchen Stationen steigen besonders viele Fahrgäste aus oder ein? So können die Betreiber besser entscheiden, wo sie zusätzliche Busse auf die Straße schicken. Und als wäre das noch nicht praktisch genug, akzeptieren die Lesegeräte außer mit Guthaben aufgeladenen Smartcards mittlerweile auch Zahlungen per QR-Code. So halten sie Schritt mit einem sich ändernden Zahlungsverhalten der Nutzer.

Der nächste große Schritt werden wohl autonom fahrende Busse sein. In einem Pilotversuch drehte ein fahrerloser Prototyp vor einiger Zeit schon seine Runden auf einer Busspur – mitten in der Nacht, ohne Passagiere, aber aufmerksam beobachtet von Taiwans Medien.

Autoverkehr

Trotz aller Alternativen fahren noch immer viele Taiwaner mit dem eigenen Pkw in die Stadt, und in der Rush Hour geht es auch auf den breitesten Durchgangsstraßen nur langsam voran. Ein von der Regierung gefördertes Projekt soll mit AI-Methoden für besseren Verkehrsfluss sorgen, entwickelt von Unternehmen gemeinsam mit Wissenschaftlern vom AI-Zentrum der Nationalen Taiwan-Universität. An mehreren Kreuzungen in Taipeh sind nun 360-Grad-Kameras installiert, die den Verkehr kontinuierlich auswerten und zum Beispiel erkennen, wie viele Pkw oder Motorroller aus welcher Richtung kommen oder bereits warten. Die Daten landen in einer Cloud, wo selbstständig lernende Algorithmen berechnen, welche Ampelschaltung in der gegebenen Situation den optimalen Verkehrsfluss bietet – natürlich in Abstimmung mit anderen Kreuzungen auf der Strecke. Bis zu einem Drittel der Stopps soll durch diese AI-optimierten Grünphasen vermieden werden – das spart Zeit, Nerven und Kraftstoff.

Genau diese drei Ressourcen leiden auch unter der endlosen Suche nach Parklücken. Bislang läuft es meist so ab: Fahrer kreuzen ziellos durch die Gegend fahren, bis sich eine Gelegenheit bietet. Beschäftigte der Stadt laufen die Straßen ab und klemmen Parkscheine hinter die Scheibenwischer. Die Fahrer zahlen diese über Drittanbieter, etwa im nächsten Convenience Store. Dies alles soll ein neues System von Acer ITS revolutionieren: Smarte Parkuhren, die als Säulen am Straßenrand installiert sind, überwachen permanent die Parklücken und melden ins Netz, sobald diese belegt sind oder frei werden. Dann leitet PKLOT, eine von Acer ITS entwickelte smarte Park-App, Fahrer zum nächsten freien Platz. Die Parksäulen erkennen automatisch, wenn ein Fahrzeug hält. Sie lesen per Kamera das Kennzeichen ab und leiten den Zahlvorgang ein.

Maximale Auslastung des Parkraums dank smarter Parkuhren von Acer ITS

 

Ein ähnliches System erfasst auch in Parkhäusern und auf öffentlichen Parkplätzen freie Plätze und benachrichtigt Fahrer, die in Frage kommen. Dabei fallen konstant große Mengen Echtzeit-Daten an, die zur Auswertung in der Acer Smart Parking Cloud landen. Mit den so gewonnenen Erkenntnissen kann auch die Stadtverwaltung kritische Stoßzeiten besser identifizieren und passende Lösungen anbieten, um die Bedürfnisse nach Parkraum zu bedienen. „Der große Vorteil der intelligenten Parkuhr liegt in der Gewinnung von Daten. Durch die Analyse der von den intelligenten Parkuhren erfassten Daten können wir wertvolle Erkenntnisse liefern, die den Städten helfen, das Parkplatzangebot effektiv zu verwalten. Mit dem manuellen Ticketing ist es für die Stadtverwaltung schwierig, sich ein vollständiges Bild über das tatsächliche Angebot an Parkplätzen und die Nachfrage zu verschiedenen Tages- oder Wochentagen zu machen. Mit Echtzeitdaten ist es nun möglich, Lösungen zu einer maximalen Auslastung des Parkraums anzubieten“, sagt Kenny Yu, der Präsident von Acer ITS.

Auch außerhalb der Städte geht es auf den Straßen seit einigen Jahren smarter zu: Taiwan hat seine Autobahnmaut durch ein vernetztes System revolutioniert. Statt regelmäßig an Mautstationen halt zu machen und ein paar Münzen aus dem Fenster zu reichen, müssen Fahrer nur noch eine eTag-Karte hinter der Windschutzscheibe platzieren. Erfasst und abgebucht wird automatisch, wenn der Wagen auf der Autobahn Mautbrücken passiert.

Wenn eine Metropole zur Smart City statt zum Moloch werden will, geht das nicht ohne entsprechende Entscheidungen und Weichenstellungen. Taipeh und andere Städte in Taiwan bringen offenbar einige gute Voraussetzungen dafür mit: Eine Verwaltung mit dem Willen, neue Wege zu beschreiten. Unternehmen, die maßgeschneiderte technische Innovationen entwickeln. Und vor allem Einwohner, die technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen sind, wenn sie ihre Probleme lösen.


Autor: Klaus Bardenhagen

Reporter aus Taiwan, Taipeh

https://www.taiwanreporter.de/

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